Beruf und Beziehung? – Neues Urteil zur privaten Haftung von Betriebsratsmitgliedern
Ein Verkaufsleiter führte eine Beziehung zu einer Mitarbeiterin, die wohl auf Facebook mit „Es ist kompliziert“ beschrieben worden wäre – und das aus gutem Grund: Er war gleichzeitig ihr Vorgesetzter. Diese Komplikation führte schließlich zum Ende der Beziehung und einem Konflikt, der über WhatsApp-Nachrichten ausgetragen wurde.
Teile dieses Nachrichtenaustauschs leitete die Mitarbeiterin an den Betriebsratsvorsitzenden weiter, der die Inhalte anschließend an die Personalabteilung übermittelte.
Schmerzensgeld für Herzschmerz
Vor dem Arbeitsgericht Bonn (Az.: 5 Ca 663/24) machte der Verkaufsleiter geltend, dass die Weiterleitung seiner privaten Nachrichten ohne seine Zustimmung unrechtmäßig gewesen sei. Zudem habe der Betriebsratsvorsitzende weder den Betriebsrat noch die zuständigen Ausschüsse ordnungsgemäß eingebunden. Der Kläger argumentierte, dass die Weitergabe sein berufliches Ansehen erheblich geschädigt und letztlich zu seiner Freistellung sowie dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags geführt habe. Außerdem bestritt er die Notwendigkeit der Datenweitergabe und warf dem Beklagten vor, diese ohne ausreichende rechtliche Grundlage gemäß Art. 6 DSGVO vorgenommen zu haben. Er forderte deshalb 5.000 Euro Schmerzensgeld vom Betriebsratsvorsitzenden.
Kein Verstoß gegen das Datenschutz- oder Arbeitsrecht
Das Arbeitsgericht sah jedoch keinen Verstoß gegen den Datenschutz in der Weiterleitung der Nachrichten durch den Betriebsratsvorsitzenden an die Personalabteilung.
Zum einen erkannte das Gericht in den Nachrichten klare Bezüge zum Arbeitsverhältnis, insbesondere hinsichtlich des Subordinationsverhältnisses zwischen dem Verkaufsleiter und der Mitarbeiterin. Der Verkaufsleiter hatte mehrfach auf ein persönliches Treffen gedrängt, das die Mitarbeiterin ablehnte. Das Gericht bewertete dies als möglichen Fall von Belästigung am Arbeitsplatz und damit als Verstoß gegen § 7 Abs. 1 sowie § 1 Abs. 3 AGG.
Zudem verwies das Gericht auf das Beschwerderecht von Beschäftigten nach § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Durch die Weiterleitung des Chatverlaufs habe der Betriebsratsvorsitzende lediglich das Anliegen der Mitarbeiterin unterstützt. Nach Ansicht des Gerichts fiel die Weitergabe der Daten unter Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO, da sie zur Abwicklung und Beendigung eines Vertrags erforderlich gewesen sei.
Betriebsrat ist nicht Adressat für Ansprüche aus dem DSGVO
Weiterhin stellte das Gericht klar, dass der Betriebsratsvorsitzende gemäß § 79a Satz 2 BetrVG nicht persönlich gegenüber dem Verkaufsleiter haftbar sei. Die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit liege vielmehr beim Arbeitgeber, der die Einhaltung des Datenschutzrechts durch den Betriebsrat sicherstellen müsse. Ein etwaiger Anspruch hätte sich daher gegen den Arbeitgeber richten müssen, nicht gegen den Betriebsratsvorsitzenden.
Fazit
Der Betriebsratsvorsitzende hat sich korrekt verhalten, wie das Urteil eindeutig feststellt. Das Arbeitsgericht betont außerdem, dass der Betriebsrat kein Verantwortlicher im Sinne der DSGVO ist. Adressat für Bußgelder und Ansprüche bleibt der Arbeitgeber.
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsrat den Datenschutz ignorieren darf. § 79a Satz 1 BetrVG stellt klar, dass der Betriebsrat die datenschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten hat. Außerdem ist eine persönliche Haftung von Betriebsratsmitgliedern nicht immer ausgeschlossen: Wenn Daten völlig zweckentfremdet werden und kein Bezug mehr zur Betriebsratsarbeit oder beruflichen Tätigkeit besteht, können Betriebsratsmitglieder selbst in die Haftungs- und Schadensersatzpflicht rutschen. Dieses Urteil vom Arbeitsgericht Bonn zeigt jedoch: Solange Sie Ihren gesunden Menschenverstand nutzen und die Ihnen bekannten Daten nicht für völlig abwegige Zwecke nutzen, müssen Sie sich um die Haftung keine Sorgen machen.